Montag, 31. August 2015

Kleine Schwester - Trauma eines 6-Jährigen

Viele Eltern in Deutschland sind wieder am jubeln, die Schulferien sind vorbei. Ich juble mit, nicht dass ich besonders betroffen davon wäre, nein, aus Solidarität. Aufgeräumt sind die Mini-Terroristen mir am liebsten. Am meisten mag ich die australischen Kinder, die sind weit weg, sehr weit weg.

Woher das kommt weiß ich nicht, aber ich schiebe die Schuld mal meiner kleinen Schwester zu. Meine Schwester ist 6 Jahre jünger als ich und drei Tage vor meinem Geburtstag geschlüpft.
Ich war also sechs Jahre alt, mein Geburtstag stand kurz vor der Tür. Als 6-Jähriger im Jahr 1981 waren deine Wünsche breit gefächert, Traktor (im unterfränkischen Bulldog genannt), Kettcar (kennt heute kein Mensch mehr), Fahrrad usw. Kleine Schwester gehörte nicht dazu.

Die Verkäuferin im ortsansässigen Spielwarenladen, mit dem klangvollen Namen Illini, fragt mich ein paar Tage vor dem Ende meiner Alleinerbschaft, ob ich mich denn schon auf das Baby freuen würde. Aus der mir überlieferten Geschichte von meiner Mutter, lautete meine Antwort wohl folgendermaßen: „Ich will einen Bulldog!“ Jetzt kam meine Schwester drei Tage vor meinem Geburtstag auf die Welt, an meinem Geburtstag kam meine Mutter zusammen mit Schwester aber ohne Bulldog nachhause. Trauma!

Der eigentliche Geburtstermin war ja erst drei Tage später geplant. Da habe ich wohl begriffen, dass Babys schon im Mutterleib nicht nur denken, sondern auch hinterhältige Pläne schmieden können. Die hat von drinnen alles mit angehört. Da lag sie da, planschend in ihrer Fruchtblase und hat sich gedacht: „Na warte Bürschle, dir versau ich nicht nur das Erbe, deinen Bulldog kannst du auch vergessen.“ Hinterlistiges kleines Biest!

Scheinbar hatte ich mich aber schnell mit der Situation angefreundet. Natürlich kann es auch sein, dass dieses kleine hinterhältige Etwas mit seinem knuffigen Babygrinsen, dem kleinen Marcus ne saftige Gehirnwäsche verpasst hat. Meine Lehrerin in der ersten Klasse, Frau Helling, fragte mich kurz nach der Geburt meiner Schwester, ob denn das Baby meiner Mutter nun schon da wäre und was es denn nun sei. Meine Antwort darauf: „Des is mei Schwester und die geht dich gar nix an!“ Ich möchte wiederum betonen, dass dies nicht meine Erinnerungen sind, sondern eine dieser Geschichten, die bei Familientreffen noch immer erzählt werden. Lustig wiederum war sechs Jahre später die Einschulung meiner Schwester, ebenfalls bei Frau Helling, die, als sie meine Schwester sah, freudestrahlend ausrief: „Ach, das ist also das Kind das mich nichts angeht.“ Wie rührend!

Aber wieder zurück ins Jahr 1981 und das ist nun eine meiner eigenen Erinnerungen. Für das Baby war als Bett eine damals übliche Wiege aufgebaut. Die hatte ich schon als Baby, war also auch gut für das zweite Kind. Der kleine Marcus, der kaum über den Rand der Wiege schauen konnte, hat aber schnell gelernt, wie er das Baby trotz fehlender Körpergröße aus der Wiege heben konnte. Das hat auch sehr gut geklappt, solange die Wiege mit dem Kopfteil rechts von mir stand. Jetzt kam aber der Tag, wo das Ding andersherum gestellt wurde. Das führte zu einer mehr oder weniger witzigen Situation, also für mich, für meine Schwester....puhhhhh, nun ja. Also ich pirschte mich wie immer an die Wiege ran, sah das Schwesterchen wach war und versuchte sie wie gewohnt da raus zu holen. Beim herausheben fing die Wiege an wie wild zu schaukeln. Je mehr ich mich anstrengte umso mehr schaukelte das Teil. Für einen 6-jährigen kein Grund aufzugeben. Irgendwann hat die Schaukelbewegung die Wiege so überfordert, dass sie erst gegen den direkt dahinter stehenden Schrank gekippt ist, wo der untere Teil einen Bilderrahmen zerschmetterte. Jetzt stand das blöde Ding mit Baby darin wie der Turm von Pisa an dem Wohnzimmerschrank angelehnt. Nun gut, ein kleiner Mahrtyrer muss eben tun was ein kleiner Mahrtyrer tun muss, er stemmt sich mit aller Kraft gegen die Wiege um sie wieder aufzurichten. Dabei war ich wohl etwas übereifrig, denn nun kippte die ganze Sache mit Baby in die andere Richtung....in die unendliche Weite des Wohnzimmers. So kam es dann auch, dass die Wiege mit mehr oder weniger lautem Knall umfiel, auf den Boden krachte und meine Schwester Cartoon mäßig wie eine Zucchini mit Impulsantrieb quer durchs Wohnzimmer rollte. Faszinierend! Das rollende Bündel hat sich so in meine Erinnerung gebrannt, dass ich noch heute darüber schmunzeln muss. Da stand ich nun, links von mir die Scherben aus dem Bilderrahmen, vor mir die umgefallene Wiege und weiter vorne im Raum die Zucchini-Schwester auf dem Boden liegend. Hier möchte ich nochmals erwähnen, ich wollte ja einen Bulldog haben!

Ich weiß nicht mehr wie meine Eltern damals drauf regiert haben, ist ja nun schon über 30 Jahr her, aber lustig fanden sie es bestimmt nicht. Wie auch, sie hatten den besten Teil mit der rollenden Zucchini ja auch verpasst. Es ist auch weiter nichts passiert, körperliche Schäden waren keine zu erkennen, alles war gut. Das einzige was geblieben ist, war wohl die Erkenntnis, Bulldogs kann man beim Illini umtauschen, Schwestern nicht. Also Finger weg von Babys! Auch wenn sie noch so lustig oder putzig aussehen, wenn sie erst mal ins rollen gekommen sind, ist der Spaß vorbei.

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