Viele Eltern in Deutschland sind wieder am jubeln, die Schulferien sind vorbei. Ich juble mit, nicht
dass ich besonders betroffen davon wäre, nein, aus Solidarität.
Aufgeräumt sind die Mini-Terroristen mir am liebsten. Am meisten mag
ich die australischen Kinder, die sind weit weg, sehr weit weg.
Woher das kommt weiß ich nicht, aber
ich schiebe die Schuld mal meiner kleinen Schwester zu. Meine
Schwester ist 6 Jahre jünger als ich und drei Tage vor meinem
Geburtstag geschlüpft.
Ich war also sechs Jahre alt, mein
Geburtstag stand kurz vor der Tür. Als 6-Jähriger im Jahr 1981
waren deine Wünsche breit gefächert, Traktor (im unterfränkischen
Bulldog genannt), Kettcar (kennt heute kein Mensch mehr), Fahrrad usw.
Kleine Schwester gehörte nicht dazu.
Die Verkäuferin im ortsansässigen
Spielwarenladen, mit dem klangvollen Namen Illini, fragt mich ein
paar Tage vor dem Ende meiner Alleinerbschaft, ob ich mich denn schon
auf das Baby freuen würde. Aus der mir überlieferten Geschichte von
meiner Mutter, lautete meine Antwort wohl folgendermaßen: „Ich
will einen Bulldog!“ Jetzt kam meine Schwester drei Tage vor meinem
Geburtstag auf die Welt, an meinem Geburtstag kam meine Mutter
zusammen mit Schwester aber ohne Bulldog nachhause. Trauma!
Der eigentliche Geburtstermin war ja erst drei Tage später geplant. Da habe ich wohl
begriffen, dass Babys schon im Mutterleib nicht nur denken,
sondern auch hinterhältige Pläne schmieden können. Die hat von drinnen alles mit
angehört. Da lag sie da, planschend in ihrer Fruchtblase und hat
sich gedacht: „Na warte Bürschle, dir versau ich nicht nur das
Erbe, deinen Bulldog kannst du auch vergessen.“ Hinterlistiges kleines Biest!
Scheinbar hatte ich mich aber schnell
mit der Situation angefreundet. Natürlich kann es auch sein, dass
dieses kleine hinterhältige Etwas mit seinem knuffigen Babygrinsen,
dem kleinen Marcus ne saftige Gehirnwäsche verpasst hat. Meine
Lehrerin in der ersten Klasse, Frau Helling, fragte mich kurz nach
der Geburt meiner Schwester, ob denn das Baby meiner Mutter nun
schon da wäre und was es denn nun sei. Meine Antwort darauf: „Des
is mei Schwester und die geht dich gar nix an!“ Ich möchte
wiederum betonen, dass dies nicht meine Erinnerungen sind, sondern
eine dieser Geschichten, die bei Familientreffen noch immer erzählt
werden. Lustig wiederum war sechs Jahre später die Einschulung
meiner Schwester, ebenfalls bei Frau Helling, die, als sie meine
Schwester sah, freudestrahlend ausrief: „Ach, das ist also das Kind das mich nichts angeht.“ Wie rührend!
Aber wieder zurück ins Jahr 1981 und
das ist nun eine meiner eigenen Erinnerungen. Für das Baby war als
Bett eine damals übliche Wiege aufgebaut. Die hatte ich schon als
Baby, war also auch gut für das zweite Kind. Der kleine Marcus, der
kaum über den Rand der Wiege schauen konnte, hat aber schnell
gelernt, wie er das Baby trotz fehlender Körpergröße aus der Wiege
heben konnte. Das hat auch sehr gut geklappt, solange die Wiege mit
dem Kopfteil rechts von mir stand. Jetzt kam aber der Tag, wo das
Ding andersherum gestellt wurde. Das führte zu einer mehr oder
weniger witzigen Situation, also für mich, für meine
Schwester....puhhhhh, nun ja. Also ich pirschte mich wie immer an die
Wiege ran, sah das Schwesterchen wach war und versuchte sie wie
gewohnt da raus zu holen. Beim herausheben fing die Wiege an wie wild
zu schaukeln. Je mehr ich mich anstrengte umso mehr schaukelte das
Teil. Für einen 6-jährigen kein Grund aufzugeben. Irgendwann hat
die Schaukelbewegung die Wiege so überfordert, dass sie erst gegen
den direkt dahinter stehenden Schrank gekippt ist, wo der untere Teil
einen Bilderrahmen zerschmetterte. Jetzt stand das blöde Ding mit
Baby darin wie der Turm von Pisa an dem Wohnzimmerschrank angelehnt.
Nun gut, ein kleiner Mahrtyrer muss eben tun was ein kleiner Mahrtyrer tun muss, er stemmt sich mit aller Kraft gegen die Wiege
um sie wieder aufzurichten. Dabei war ich wohl etwas übereifrig,
denn nun kippte die ganze Sache mit Baby in die andere Richtung....in
die unendliche Weite des Wohnzimmers. So kam es dann auch, dass die
Wiege mit mehr oder weniger lautem Knall umfiel, auf den Boden
krachte und meine Schwester Cartoon mäßig wie eine Zucchini mit
Impulsantrieb quer durchs Wohnzimmer rollte. Faszinierend! Das rollende Bündel hat
sich so in meine Erinnerung gebrannt, dass ich noch heute darüber
schmunzeln muss. Da stand ich nun, links von mir die Scherben aus dem
Bilderrahmen, vor mir die umgefallene Wiege und weiter vorne im Raum
die Zucchini-Schwester auf dem Boden liegend. Hier möchte ich
nochmals erwähnen, ich wollte ja einen Bulldog haben!
Ich weiß nicht mehr wie meine Eltern
damals drauf regiert haben, ist ja nun schon über 30 Jahr her, aber
lustig fanden sie es bestimmt nicht. Wie auch, sie hatten den besten
Teil mit der rollenden Zucchini ja auch verpasst. Es ist
auch weiter nichts passiert, körperliche Schäden waren keine zu
erkennen, alles war gut. Das einzige was geblieben ist, war wohl die
Erkenntnis, Bulldogs kann man beim Illini umtauschen, Schwestern nicht. Also Finger weg von Babys! Auch wenn sie noch so lustig oder putzig aussehen, wenn sie erst mal ins rollen gekommen sind, ist der Spaß
vorbei.